Larissa musste das Pferd im Kopf einfach gerade halten und dann klappt das auch mit dem Nachbarn .. äh .. dem Wechsel.
Dann war ich an der Reihe und aufgrund meines Sprachfehlers nicht „Nein“sagen zu können, antwortete ich auf die Frage: „Und Du? Willst du auch wechseln?“ mit „Ja“. Das war schneller rausgerutscht als gedacht und trieb mir nun den Angstschweiß auf die Stirn: Beim fliegenden Wechsel wird unser Painthorse Fancy immer ganz schön schnell. Als es erwartungsgemäß nicht auf Anhieb klappte und ich in gewohnter Manier meine Tochter Larissa aufs Pferd setzen wollte, intervenierte Elias: „Dann lernst DU das ja nicht.“ Gesagt, geschwitzt: Am Ende hat es doch geklappt. Was mich endgültig aus den Schuhen gehauen hat, war dass Elias gesehen hat, dass Fancy hochsensibel ist und mir dann sagte: „Bei der müssen wir etwas anders vorgehen – und zwar mit wenig Druck und viel Ruhe.“
Meine Tochter Larissa ist ja die kritischste Traineraussucherin, die man sich vorstellen kann. Bei fast jedem von den Dutzenden, die wir in den letzten Jahren aufgesucht haben, hatte sie was zu mäkeln. Nur unser vorheriger Trainer Marko fand Gnade in ihren Augen. Als der verstorben ist (R.I.P.), habe ich neben der Trauer auch nach einigen Tagen gedacht: „Jetzt geht die Suche wieder von vorne los, wo keiner in Larissas Augen gut genug ist.“und erwartete somit auf der Rückfahrt einen Vortrag darüber, was ihr nicht gefiel. Weit gefehlt, denn sie sagte:„Hier fahren wir aber noch mal hin.“ Kluge Entscheidung, denn nach wenigen Wochen präsentierte unser kleiner Ponywallach Lucky einen Spin, als wäre er ein Großer. Im Winter hat Elias’ Bruder Emanuel sogar einmal mitten aus dem Galopp angehalten und übers Pony gesagt: „Boah, der kann ja drehen!“ Jahrelang hatten wir am Spin rumgedoktort und der war immer nur lahm und unspektakulär. Dabei war es noch nicht einmal eine Frage, ob oder wie viel Druck man ausübt, sondern vielmehr ein „Gewusst-Wie“ – wobei man ganz ohne Druck natürlich auch nicht auskommt. Irgendwie muss man dem Pferd ja mitteilen, ob es einen guten Job macht oder es sich mehr anstrengen soll. Diese Form der Korrektur ist sehr verwandt mit dem, was wir im Natural Horsemanship machen: Man arbeitet mit Komfort und Diskomfort. Für gute Arbeit gibt es eine Pause, ein mäßiger Job führt zu mehr Arbeit. Als Elias mir als Horsemanship-Trainerin dann auch noch erklärt, dass man den Druck in Phasen aufbauen sollte, fiel mir das Lächeln aus dem Gesicht. Zwar arbeite ich als Horsemanshiplerin ja auch mit Phasen, aber von einem Reining-Trainer hätte ich diesen Rat so gar nicht erwartet – auch nicht, dass er oft zu mir sagt, dass ich meine Hilfen noch netter geben soll, isbd. in der ersten Phase, wenn ich meinem Pferd also eine Frage stelle. Wenn sie sich aufs Bein nicht lenken ließ und ich mit dem Bein geklopft habe, um meinen Hilfen mehr Nachdruck zu verleihen, wurde das genauso gerügt wie ein versehentliches Rucken am Zügel. Im ersten Fall soll ich einfach den Sporen mit passiver Beharrlichkeit am Pferdebauch lassen und nur etwas stärker drücken, im zweiten Fall die Zügel allmählich anheben – auf keinen Fall ruckartig und bloß nicht die Hand zum Lenken zur Seite nehmen beim Einhändig reiten, sonst verwirft sich mein Pferd.
Völlig entgleisende Gesichtszüge hatte ich spätestens als wir das erste Mal mit unserer Jungstute dort aufkreuzten – voll motiviert natürlich. Und was sagt Elias zu unser aller Überraschung? „Heute würde ich sie nur gucken lassen und gar nicht trainieren, sonst verliert sie den Spaß an der Arbeit.“ Als wir die „Kleine“ das nächste Mal mit dabei hatten (noch motivierter natürlich), fragte Elias wieder, was wir machen wollen, wobei ich (dieses Mal) wie aus der Pistole geschossen sagte: „Fliegende Galoppwechsel.“, worauf Elias erstmal schmunzelte:„Galoppwechsel ist das schwerste Manöver und daher das Letzte, was sie lernen sollte.“ Wer hätte das gedacht? Los ging es also mit dem Spin und unser Halb-Cutting-Jungpferd hatte auch nichts gegen Spins einzuwenden, aber bitte laaaaangsam. Wie wir es auch bei unseren Ponys schon erlebt hatten: Es kommt irgendwann der Zeitpunkt, wo das Pferd auch einmal rigoros „Nein“ sagt. Das eine verweigerte den Trab, das andere den Galopp und Fancy war von der Gangart Schritt erstmal überhaupt nicht zu überzeugen. Bei Queenie war es der Spin bzw. der schnelle Spin, wo sie uns eine klare Absage erteilte – noch kritischer stand sie der Volte vor dem Spin gegenüber, denn da wurde sie ja versammelt. Viel zu anstrengend, fand sie. Als bekennende Left-Brain-Introvert-Stute nach Parelli (siehe Artikel zu den Pferdepersönlichkeitstypen) blieb sie einfach stehen und wenn man dann Bewegung von ihr verlangte, bockte oder stieg sie zwischenzeitlich sogar. Für mich ein klarer Fall von: Hier sollte ich den Druck symbolisch verdoppeln. Elias hatte aber eine viel pfiffigere Idee: „Wir sollten es erst einmal über den Rollback versuchen, weil der fürs Pferd mehr Sinn macht“. Mir klingelte es schon wieder in den Ohren – das ist nämlich mein Spruch: Dass eine Übung einen Zweck haben soll, ist doch auch schon wieder aus dem Natural Horsemanship. Ich hätte niemals erwartet, dass es zwischen zwei Systemen, die auf den ersten Blick so unterschiedlich wirken so viele Parallelen gibt. In beiden wird das Pferd zwar nicht mit rosa Wattebällchen beworfen und gelegentlich darauf bestanden, dass ein Pferd eine Übung nicht nur irgendwie macht, sondern dass es sich auch Mühe dabei gibt – aber wenn man das „Immer-der-Reihe-nach“ beherzigt, kann man recht sicher sein, das Pferd nicht zu überfordern. Es wird viel positiv verstärkt, manchmal negativ verstärkt, aber eben nie bestraft.
Facebook beklagt ja auch die in ihren Boxen ausgebundenen Pferde mit den toten Augen – gefunden habe ich sie nicht. Im Gegenteil: Als unser Pony einmal in der Stallgasse beschlagen wurde, stand ein Pferd in der Box, was mit seinen Zähnen ständig den Strick aufknotete und sich dabei köstlich zu amüsieren schien. Auch die Berittpferde von Elias wirkten sehr aufgeweckt auf mich, bissen ihm z.B. in den Steigbügel, wenn er uns etwas erklärte: Genau wie unsere Pferde eigentlich, die ja auch immer gerne unsere Mützen und Handschuhe stehlen. Dieser Artikel wurde ja ursprünglich für artgerecht-Pferd geschrieben und natürlich fängt „Artgerecht“ erst einmal bei der Haltung an. In einem Reiningstall gibt es aber in der Tat Pferde, die für die Zeit ihres Aufenthaltes in Boxen stehen. Aber Berittpferde in bestehende Pferdegruppen zu integrieren, dürfte nicht nur gefährlich, sondern auch ein Ding der Unmöglichkeit sein. Immerhin kommen die ja auch irgendwann nach Hause, wo die Besitzer für die artgerechte Haltung verantwortlich sind. Was mir jedoch sehr positiv ins Auge gefallen ist, war, dass selbst im tiefsten Winter die eigenen Pferde tagsüber auf Weiden und Paddocks gestellt wurden – bei jedem Wetter.
Mein Steckenpferd ist natürlich ganz und gar das Thema Pferdeausbildung mit dem Schwerpunkt: „Wie bringt man ein Pferd dazu, dass es diese anspruchsvollen Manöver nicht nur macht, sondern dies auch gerne tut?“ Und wieder war ich erstaunt, dass Elias mir einmal erzählte, dass auch er hier die größte Herausforderung sieht: Beim Thema Motivation. Er sagte mir einmal:
„Bei manchen Pferden wäre man froh, wenn man den Schlüssel zu ihnen finden würde.“
Allein, dass er sich darüber Gedanken macht, hat mir sehr imponiert. Natürlich gibt es in jeder Pferd-Mensch-Beziehung auch einmal Phasen, wo es nicht leicht ist. Auch meine Tochter Larissa hatte irgendwann ein, zwei Wochen, wo sie einfach nicht mit dem Pony einig wurde. Wer jetzt denkt, dass das Pony Spins, Slidings Stopps oder Rollbacks verweigert hätte, liegt aber falsch: Das Pony nahm beim Angaloppieren immer den Kopf hoch und drängelte nach außen. Selbst eine Physiotherapeutin hatte ihm schon einen viel zu stark ausgeprägten Kopf-Arm-Muskel diagnostiziert. Dem Pony war seine Gesundheit aber egal: Er wollte drängeln und den Kopf hochnehmen und leistete Widerstand – aber richtig. Hier empfahl Elias dann auch das, was Pat Parelli „passive Beharrlichkeit“ nennt: Dranbleiben, bis es klappt. Das hat es am Ende – bei jedem kleinsten Versuch in die richtige Richtung haben wir das Training zuhause beendet und nach zwei Wochen war das Angaloppieren schon viel weicher geworden. Elias sagte uns, dass bei fast jedem Pferd eine solche Phase kommt, was wir sehr tröstlich fanden. Aber wenn es irgend ging, so versucht man auch hier, dem Pferd das Lernen möglichst leicht zu machen … und auch uns Menschen. So habe ich bei unserem Reining-Trainer sogar auch Trail-Unterricht genommen und auch mal den Hund mitgebracht, um mich fürs Horse & Dog Trail Championat vorzubereiten, wo Fancy leider die Nerven verloren hatte. Sehr sympathisch fand ich, dass Elias schon im Internet nachgeschaut hatte und wusste, dass wir aufgeben mussten, bevor ich es ihm erzählen konnte. Auch Larissas Scores hatte er immer ziemlich gut im Kopf – wow. Egal, was er mit uns übt: Er konnte es jederzeit mit dem Pferd vormachen, das er gerade unter dem Sattel hatte: Ob das Anhalten übers Bein oder das weiche seitliche Weichen im Galopp – also alles außer Galoppstangen, die kennt so ein Reining-Pferd dann doch nicht, weil die bei Jungpferdeprüfungen nicht vorkommen. Wenn wir im Winter im Reining-Stall waren, gab es meist Training mit Stangen, was dazu führte, dass alle Anwesenden auch ihr Unwesen mit selbigen trieben. Eine dort Angestellte nutzte somit ein herumliegendes Stangen-Hindernis um dies ihrem Pferd zu zeigen, das aber unmissverständlich sagte: „Ich bin ein Reining-Pferd, komm mir nicht mit Stangen.“ Da meine Kinder ritten und ich auf der Bank saß, unterdrückte ich den Impuls, der Mitarbeiterin einen von den sieben Spielen nach Parelli zu erzählen und wie man sie bei Hindernissen nutzen kann. Gerade noch rechtzeitig auf die Zunge gebissen, denn Elias’ Bruder Emanuel sagte genau das, was ich auch sagen wollte: „Fang erstmal hinten in der Ecke mit nur einer Stange an – da habt ihr mehr Ruhe.“
Aber das alles ist natürlich noch kein Grund, einen Stall auch anderen weiterzuempfehlen. Dafür gibt es viel bedeutendere Gründe und die kommen bekanntlich am Schluss. Erstens: Immer, wenn wir vom Training nach Hause kommen, schmunzel ich noch beim Schlafengehen über die zahllosen Witze, die wir alle uns während des Trainings nicht verkneifen können. Aber gelacht haben wir auch schon bei anderen Trainern. Der entscheidende Grund, warum ich „Ernst Performance Horses“ weiterempfehle, ist: Es gibt dort Kaffee. Und nicht nur, dass es Kaffee gibt. Weit gefehlt: Der Kaffee wird mir meist auch noch höchstpersönlich vom Trainer himself gebracht – immer dann, wenn meine Kinder reiten und ich auf der (Reserve-) Bank sitze. Wenn der Trainer es jetzt noch schaffen würde, meine Tochter davon abzuhalten, mir die Hälfte des Kaffees zu stehlen …… Na ja, versöhnt hat mich, dass wir letztes Jahr T-Shirts mit dem Aufdruck „Ernst-Perfomance-Horses“ geschenkt bekommen haben – volle Tassen Kaffee werden halt völlig überbewertet.